Twitteratur und "Romane in Pillenform"

Nicht mehr als 140 Zeichen passen in einen sogenannten Zwitscherer (= Tweet) des Kurznachrichtendienstes Twitter. Diese formale Beschränkung hat auch Werbetexter zu Blitzgeschichten angeregt. "Tiny Tales" sind Haikus für unser digitales Zeitalter. Florian Meimberg berichtet im Epilog seines Taschenbuches "Auf die Länge kommt es an", manche seiner Mikrostories seien binnen Minuten entstanden - andere dauerten Wochen.

 

Auch ein Roman auf bis zu 140 Zeichen hat im Idealfall drei Teile: Exposition, Konflikt, Auflösung oder Katastrophe. Wie bei einem Werbespot in 30 Sekunden muss man allerdings erzählerisch Gas geben. Dahinter stecken dann Liebesdramen, Psychothriller oder Heldenreisen. Werbetexter würden Storytelling dazu sagen. Nur eines fehlt am Ende: ein Markenlogo.

 

Wer sich ins Genre vertiefen will, dem seien Giorgio Manganellis "Romane in Pillenform" empfohlen. Unter dem Titel CENTURIA (Irrläufe) kamen 1979 hundert dieser Kürzestgeschichten heraus . Jede Miniatur ist nur eine Seite lang. Wiederkehrende Themen sind Sinnkrisen, Gespenster, die Hölle, Mörder, erfundene Dinge, Räuber, Prinzessinnen und Tyrannen. 




NOCH EIN BUCHTIPP :

 

Félix Fénéon: In drei Zeilen

übersetzt von Jürgen Ritte, 48 Seiten

Diaphanes Verlag

 

Laut Herausgeber sind die von Félix Fénéon in der Pariser Zeitung "Le Matin" anonym veröffentlichten Dreizeiler eine Legende der französischen Literatur.

 

Seine mit lakonischer Schärfe festgehaltenen Mini-Geschichten lassen den Leser taumeln zwischen Lachen und Entsetzen, Befremden und Vergnügen.

 

ZITAT:

 

» Ein Tellerwäscher aus Nancy namens Vital Frérotte, der auf immer von einer Tuberkulose geheilt aus Lourdes zurückkam, ist am Sonntag irrtümlich verstorben. «